El Tajin, 16.05.2009

5 Tage schon bin ich von zu Hause fort, und es fällt mir schwer, mich vom satten gut bürgerlichen Leben zu verabschieden und erneut in das Vagabundendasein in der sehr fernen Welt eines Schwellenlandes einzutauchen. Sms und Skyp halten die Verbindung aufrecht und reissen mich zurück in die heile Welt. Die Zweifel über mein Tun lassen nicht nach, der Erlebnisreichtum deckt sie jedoch freundlich zu und gewinnt bald die Oberhand. Und jeder neue Tag hier im Mexico ist ein Plus auf der Erlebnisskala.
Ein paar derselben will ich skizzieren. Als Gedächtnisstütze für mich und als Info für den, der es mag.
Zuerst der City-Hopper von Hannover nach Schipol. Eng und laut erinnert er an meine ersten Flüge nach Griechenland so um 1980. Während es derzeit nach Ziegen und Knoblauch roch, aktivieren heute die feinen Düfte noch feinerer Herren in feinen dunklen Anzügen mit Laptops und teuren Handys und Pokerminen meinen Olfactorius. Die machen ihren Job. Und mir wird erneut deutlich, dass ich als Jubilado mit Weltenbummlerabsichten einem ganz anderen Genre angehöre.
Der Zoll in Mexiko wird unruhig, als er meinen Koffer durchleuchtet, ob ich Metall dabei hätte. Gut, dass ich inzwischen die spanische Bedeutung für Ölfilter, Kraftstofffilter, Bremsklötze, ….., also Dinge, die man nach 45.000km auch beim Sprinter mal auswechseln muss, kenne. Ein wenig ungläubig, der zollbeamtische Gesichtsausdruck. Und dann die Erleuchtung, dass, wenn er mich einfach durch winkt, er ein Problem weniger hat. Er wurde erleuchtet.
Am Ausgang des Flughafens in Mexico erwartet mich un hombre mit einer roten Kappe und einem grossen weissen Schild: MR. PETER. Es hat geklappt, das teure Telefonat mit Pepe war nicht umsonst, er hat seinen driver aktiviert und der war PÜNKTLICH vor Ort, für Mexikaner ein absolutes Unding- oder hat die Schweinegrippe hier einiges durcheinander gebracht??
In Tepotzotlán ist alles beim Alten. Das PM steht dort, wo wir es verlassen haben, keine äusseren Verletzungen, die Wohnraumbatterie ist auch nach 50 Tagen noch halb gefüllt und der Motor springt an, als wenn ich ihn gestern Abend abgestellt hätte- und ich habe mir bei Mercedes aus Sorge über eine leere Batterie den cable-start über den Batteriefernpunkt demonstrieren lassen.
Die Notration für Spätheimkehrer (Erdnüsse, Wasser und Rotwein) ist intakt, brauche ich aber nicht, denn unser kleiner Einkaufsladen hat noch geöffnet. Als die Verkäuferin mich fragt, ob ich nicht das Integralbrot, das wir ja bevorzugten, möchte, macht mein Herz einen kleinen Sprung und ich habe das Gefühl, dass ich nicht gerade mit einem ganzen Bein, zumindest mit einer Großzehe in meiner zweiten Heimat Fuss/Großzehe gefasst hätte. Dreimal marschiere ich durch meine kleine Schicksdalsstadt, ich kenne jede Taqueria und die Apotheke und den medico- es wird Zeit, dass ich verschwinde, ehe ich hier ganz heimisch werde.
Benjamain, Pepes Schwiegersohn, zeigt mit, wie ich ohne teure Polizeikontrolle aus Mexico herauskomme. Ein kleiner Umweg, aber eben sicher. Pustekuchen. Nachdem ich auf eine Mautstrasse gefahren bin, werde ich rechts raus gewunken: dies ist eine hoy no circular- Strasse, auf denen Ausländer morgens von 5-11Uhr nicht fahren dürfen. Ein Ticket wird fällig, das ich von 600 US Dollar auf 300 runterhandeln kann, dafür aber in bar und ohne Quittung. Hat es mich also doch noch erwischt. Räuber! Da jedes Ding ja seine zwei Seiten haben soll, suche ich die nächste Stunde nach der für mich günstigen, finde ich aber nicht. Minus 300 Dollar sind minus 300 Dollar.
JEDOCH: I’m on the road again, estoy en camino. Erlebnisreichtum, nimm Deinen Lauf:

Cholula mit seinem Zocalo und der überbauten Pyramide, die heute wie ein Hügel aussieht. Der war/ist nämlich völlig überwachsen und die Spanier haben obendrauf eine „Eroberungskirche“ gesetzt nicht ahnend, dass diese auf einem heidnischen Heiligtum steht. Unter allem ein riesiges begehbares Tunnelsystem- nichts für Klaustrophobiker!
Puebla mit seinen über 50 Kirchen und der Kathedrale, die auf jedem 500 Peso-Schein abgebildet ist und den an die 1000 Kolonialbauten mit ihren bemalten Kacheln. Hier hilft nur der Touribus weiter. Und die Pausen am Zocalo mit den vielen Restaurants. In einem Museum erlebe ich die Probe zu einem Konzert, sehr locker und fröhlich die grosse Orchesterbesetzung und mit Doppelpiano.
El Tajin mit seinen einzigartigen Nischenpyramiden. Heiss und feucht ist es nachmittags, als ich ankomme. Nach einer Nacht auf einem Hotelparkplatz bin ich dann am nächsten Morgen fast der erste- frisch ans Werk und rauf auf die Hügel, soweit wie möglich.
Fahrt vom Hochland Mexico-City in die Subtropik am Golf von Mexiko. Die moderaten Temperaturen mit Eukalyptus- und Kieferwäldern schwinden zunehmend und es erwartet mich feuchte Hitze in der typischen Vegetation mit Bananen, feuchtem Urwald, üppiger Blütenpracht, Singvögel en masse, aber auch Palmen auf Sandboden (darüber später mehr). Dann mal wieder der Ausfall des Chargers bei 35°Celsius im Schatten, damit auch Ausfall der Klimaanlage- muy caliente hoy.
Topes, sie machen mich rasend. Vor jedem Geschäftchen und Kirchlein und oficina haben die Dorfbewohner den reductor de velocidad aufgeteert, der nur im 1. Gang überwunden werden kann. Manchmal denke ich, die ganze Dorfstrasse besteht nur aus Topes. Nun ja, ich könnte ja auch über die Schnellstrassen fahren… Muss man gelegentlich, um einfach voran zu kommen

Nachtrag am 19.05.
Gestern verliess ich dann wieder die Mautstrasse und fuhr eine Nebenstrecke von La Venta nach Paraiso, einer Strasse zwischen Meer und Binnenseen gelegen, ein Leckerbissen, 100km lang. Bis ohne jegliche Vorwarnung die Strasse ins Nichts stürzte: eine Hurrican hatte diesen Teil der Küste niedergemacht. Ich wollte schon zurück, sah dann den zarten Weg in den sandigen Palmenwald, wobei die Spuren mit Palmwedeln und Kokusnussschalen befestigt waren. Reduktionsgetriebe und Allrad zeigten hier ihr Können, der Fahrer hatte alle (schwitzigen) Hände voll zu tun, bei den vielen engen Kurven und dem Auf und Ab einen Seitenkontakt zu den eng stehenden Palmen zu vermeiden. Dazu liess das klappernde Geschirr im Rückraum Böses vermuten. Dann: ein Seil, quer gespannt. Das gibt’s doch nicht. Da kommt eine Frau aus dem Gebüsch und verlangt Geld. „Wofür?“ „Dieser Grund ist unser Eigentum!“ 10 Peso, ok, lächeln, weiter. Das Lächeln vergeht mir, als sich die Wegezölle häufen, mein Kleingeld zu Ende geht und ich den geschäftstüchtigen Mexikanern den Wert eines Dollarscheines zu erklären versuche. So deale ich mich durch, bis ich endlich, endlich die intakte careterra erreiche.
Das ganze Ding hat so lange gedauert, dass ich den campground in Villahermosa nicht mehr erreiche und die Nacht im hinteren Teil einer Pemex-Tankstelle verbringe… So isses on the road.

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