Brücken

2008-10-06
Reisestationen Nova Scotia. New Brunswick, Québec

Die Basisliteratur für meine aktuelle Reisen sind der Lonely Planet und Grundmanns Reise Know-How. Das Aussortieren war schwierig, ganz ohne geht es nicht, aber zuviel führt schon wieder zum Stress. Die Basisinformation liegt also von Profis bestens aufbereitet vor.

Was fiel denn mir auf?

Über alles freundliche und wirklich hilfsbereite Zeitgenossen.
Beispiel: in Parrsboro suche ich einen wireless Internetzugang. Der Kassierer im store versteht nur Bahnhof, geht nach hinten, holt seinen Chef. Der weiss Bescheid, telefoniert mit der library und gibt mir eine Wegebeschreibung. Die jedoch ist katastrophal (gleiche Erfahrung wie in Australien: der geographische Horizont der lieben Mitmenschen geht echt nur bis zur nächsten Ampel, Kirche oder Burger, alle weiter entfernten Wegebeschreibungen entspringen einer wie auch immer gearteten Fantasie), und ich rotiere mit meinem PM durchs Dorf. Leidet finde ich die library nicht, dafür entdecke ich im Fenster einer Dachgeschosswohnung einen jungen Mann bei Renovierungsarbeiten. Er stoppt seine Arbeit, kommt herunter zu mir, kratzt sich am Kopf. Es sei nicht weit, aber zu schwierig zu erklären. Lässt Arbeit Arbeit sein, springt in sein Auto und fährt die 2 Ecken voraus und strahlt übers ganze Gesicht, dass er mir hat helfen können.
Die Hilfsbereitschaft in der library setzte sich beispiellos weiter bis hin zur Aktivierung des Hausmeisters der benachbarten high-school, der den W-Lan-Anschluss auseinandernimmt und funktionsfähig zu machen versucht (alles am späten Abend).
Der camp-ground Wächter, der mir (kostenlos) sein Telfon für ein Gespräch nach Germany leiht, da der Service meiner kanadischen Telefongesellschaft in dieser Gegend nicht funktioniert.

Fiedhöfe am Strassenrand

Was fiel mir sonst noch auf?

Fliegende Eichhörnchen (selber gesehen).

Sehr rücksichtsvolle Autofahrer, sehr zuvorkommend, nicht drängelnd, selten überholend. Manchmal aber zu ruhig und gelassen, in dem sie ohne zu blinken nach rechts oder auch nach links abbiegen- der nachfolgende Verkehr wird’s schon richten; (habe heute per Notvollbremsung, Übles vermeiden können, dem ADAC-Training sei Dank; jedoch arme Reifen, armes Geschirr).

Dudelsackbläser (die kanadischen Ursprünge sind mannigfach, nicht nur englisch und französich und indianisch).

Weisse Kirchen im Überfluss; jedes Dorf präsentiert sich mit seinen verschiedenen Glaubensrichtungen eindrucksvoll mit je einer Kirche und je einem Friedhof davor oder dahinter; die Friedhöfe sind nicht nur den Kirchen angegliedert sondern präsentieren sich auch schön gelegen auf Hügeln oder auf Wiesenflächen direkt neben der Strasse- als wenn die Toten noch dazugehörten. Immer findet sich ein grosses Hinweis- oder besser Reklameschild auf die jeweilige Glaubenszugehörigkeit; alles keineswegs negativ sondern eindrucksvoll.

Pumpkins; werden in Riesenhaufen am Strassenrand angeboten; und dienen als Basis für Verkleidungen und personifizierende Verkitschungen.

Leckeres Krebsfleisch auf rolls herunterkultiviert.

Keine Scheu, Frömmigkeit zu zeigen und über Gott und seine Gebote zu sprechen. Dazu passen die eindrucksvollen Gespräche, Diskussionen, Gottesdienste im Radio. Und die eindringliche Werbung gegen Abtreibung: Bibelsender vom feinsten, der lässt mich kaum noch los nicht nur wegen des Inhalts, sondern die Kirchenleute sprechen ein klares Englisch- na ja nach 2 Stunden wechsele ich dann zum Rocksender, dem zweiten von Werbung unterbrochenen Unterhaltungsprogramm im Radio, nee, es gibt noch den Country-sender, deren Lieder von Liebe und Heimat auch ganz gut- weil einfach- zu verstehen sind.

Kitsch im Überfluss, fürchterlich. Nahezu jeder Hauseigentümer im dörflichen Bereich glaubt wohl, böse Geister vertreiben zu müssen; einen anderen Grund für die Verballhornung seines Gartens kann ich mir nicht vorstellen, unbeschreiblich. Ich unterlasse es auch.

Öffentliches Stehen zu seiner Frömmigkeit, wie Schilder mit den Aufschriften: „Jesus is the Lord“, oder „Children are a gift“ unter Beweis stellen.

Holzhäuser. Kaum ein Haus ist aus Stein gebaut, denn Holz gibt es im Überfluss. Aber die Holzhäuser müssen auch gepflegt werden, sonst verfallen sie und die Folge ist „Sale“, und davon reichlich.

Wetter. Heftigster Regen, heftigster Wind, ich glaubte schon, ich wäre mit dem Segelboot unterwegs, so schaukelte mein PM in der Nacht auf dem camp-ground im Wind. Und dann: Klarheit. Sonne und reine Luft und Duft. Sternenhimmel, Temperatur zZt runter auf 2 Grad (plus!). Da wird der Weg zur morgendliche Dusche im unbeheizten Waschhaus schon zu einem Erlebnis, das den Gewohnheiten der Naturvölker doch recht nahe kommt.

Teils miserable Strassen (jedenfalls die von mir favorisierten Nebenenebenstrassen) mit Absenkungen, Schlaglöchern und fehlender Bankette, eine Schaukelpartie ist diese Reise zwischenzeitlich; oder es geht steil bergauf und bergab und die zweispurige Strasse landet ohne Vorwarnung in einer einspurigen Brücke, Schlaglöcher, Vollbremsung, Schaukeln- Tempomat und Pennen geht hier überhaupt nicht ……..

Soweit meine Eindrücke von Nova Scotia, auf der Reise durch New Brunswick und Quebec nach Québec-City ändert sich einiges:

Um pünktlich in Montréal anzukommen, nehme ich den freeway Trans Canada 2. Die Wälder sehen jetzt nicht mehr so gewaltig aus: zwei breite Autostrassen sind durch einen sehr breiten Mittelstreifen getrennt und neben den Bahnen sind locker 10 Meter abgerodet. Vom Cockpit aus ist die Sicht hervorragend, die hügelige Appalachenlandschaft bietet dann weite Aussichten über sehr weite Waldflächen. Landschaft satt.

Und: die Laubverfärbung, da komme ich ins Schwärmen. Nicht so sehr der Solitär- natürlich, sein üppigen Rot beeindruckt schon- mehr noch die üppig gemischte Buntfärbung des Mischwalds. Herz geh auf! Auch die Kanadier schwärmen über die colour, the foliage des Indian summer…

Fehlende Parkplätze auf den freeways. Da braucht es oft lange Zeit bis zum nächsten exit, um diese oder jene Notwendigkeit zu verrichten.

Morgens, vor allem frühmorgens fährt der eigene lange Autoschatten direkt vor mir her, uneinholbar; Gedankenspiele. Go west!

Die Strecke zieht sich hin, auch wenn die Umgebung noch so schön ist. Abwechslung bieten die ausgeschilderten scenic-routes, die mich von dem highway an die Ufer des St. John und Saint Laurent lenken- ich habe ja Zeit, kann rasten, wo ich möchte und so mache ich meinen power nap wann und wo immer es gelüstet (oder besser die Lider schwer werden).

Geschwindigkeiten werden exakt eingehalten. In Québec sind 110 erlaubt, und diese Spitzengeschwindigkeit mehmen die Riesen-Trucks hemmungslos wahr. Um dem Stress zu entgehen, fahre ich mit sparsamen 90, herrlich!

Eine traurige Nachricht erreicht mich: gestern ist Wilfried, ein 54-jähriger enger Angehöriger meiner Frau gestorben. B. hat den morgigen Flug nach Montréal gekänzelt und wird nach der Beerdigung dann nach Toronto fliegen. Der Familie möchte ich auch hier mein tiefstes Mitgefühl aussprechen. Der Tod ist schrecklich und schafft viel Leid.

Erster Eindruck von Québec: Hotel Chateau Frontenac

Indian Summer in Québec

2008-10-13 Ontario

Québec, die hübsche Romantische. Montréal, die moderne Französiche.
Aber Ottawa, einfach nur die Schöne.
Die Einfahrt ist überwältigend: über den downtown scenic-drive (so was gibt’s) präsentiert sich die Hauptstadt Kanadas von Feinsten. Sportflughafen, Pferderennbahn, Parks auf Hügeln, Villen, Ausblicke auf den Ottawa River, den Parlament Hill und natürlich das Hotel Nr. 1, das Chateau Laurier, Québec lässt grüssen. Was aber mach Ottawa „so schön“? Strahlender Himmel, warme 23 Grad, fröhliche Menschen in Sommerkleidern, zwei Tage vor thanksgiving eine bunt geschmückte Stadt in Festtagsstimmung und das Tüpfelchen: die bunte Laubfärbung. Das Staunen nimmt kein Ende.

Die 60 nach Westen und 35 nach Süden konkurrieren ebenfalls in der Schönheit: glasklare Seen eingebettet in bunte (jaja, ich weiss) Mischlaubwälder, durchschnitten von den highways die den PM hügelauf und hügelab vorantreiben (country-song im Radio: “the highway is my home“). Die doch stressigen service-department Aufenthalte zum Austausch des Stossdämpfers, der Spureinstellung und dem Versuch, die Vorderräder auswuchten zu lassen, sind passé. Bei dieser Landschaft jubelt das Herz. Dazu gibt es ein schönes (Volks-Kirchenlied)

Was fiel mir sonst noch auf?

Und noch einmal, muss sein: Der Mischwald im Herbst. Denn was den erst so aufregend schön macht, ist die Sonne, vor allem morgens und abends. Ein tiefes warmes Bunt. So, kein Wort mehr darüber.

Strafandrohung mit eindrucksvollem Schild: der Richter dokumentiert mit einem Hammerschlag das Strafmass. Und die Höhe wird knallhart angekündigt. Ob bei Umweltverschmutzung oder Geschwindigkeitsüberscheitung. In der Baustelle doppeltes fine, „when people at work“

Es ist nicht leicht, auf einem campground unterzukommen: viele sind schon geschlossen (out of saison), andere nehmen nur saisonal auf, nicht die overnights (da hilft kein Betteln und Flehen). Manchmal läuft es von ganz allein, dann sogar mit Stelllatz in 1. Reihe und WiFi (W-Lan).

Golfplätze en masse; ich sehe ja nur die am der Strasse gelegenen- wie mögen die abseits des highways aussehen? Einen habe ich aufgesucht. Unbeschreiblich, eine Welt für sich.

Schlechtes mobile-Netz. In der Wildnis (immerhin 60W, 35S) gab’s keinen Service, dann auch keine sms nach hause, natürlich auch kein Internet.

Wölfe im Alonquin-Park, habe ich nicht gesehen und auch nicht gehört.

Keine Mücken. Die Jahreszeit ist der Hit für moskito-sensible Mitmenschen.

Elche. Vor denen wird gewarnt, die sollen über die Strasse rennen. Das Warnschild zeigt zwei Elche: einen tags mit fröhlichem Gesicht, einen nachts mit sehr aggressiven Kopf. Und bei gefährlichen Stellen gibt es Drahtzäune und in den Drahtzäunen Elchschleusen. Das sind Drehtüren für Elche vom highway in Richtung Wald. Hat was. Für den armen Elch, der irgendwann irgendwie auf den highway gelangte. Und der drehschleusig gerettete Elch ist dann auch keine Gefahr mehr für der Trucker.

Morgen ist thanksgiving. Die Strassen sind rappelvoll, die Trailparkplätze überfüllt, alle Kanus vermietet. Am NP-Eingang eine kilometerlange Autoschlange. Die Permits für die Zelt-Übernachtung auf den wenigen durchnummerierten Stellplätzen auf den Trails sind doch längst vergeben.

Das Schild lake-access hat mich veleitet. Ich wollte nurMittagsrast machen. Nach 12km Rappeltour über einen 4-wheel-drive musste ich vor einer engen Kurv, die steil bergab führte und dazu eine starke Innenneigung hatte, passen. Im Kriechrückwärtsang bergauf zurück. Nein, nicht alle 12 km. Aber weit genug, um mir reichlich Gedanken über meine zu starke Neugierde zu machen.

Schild am Stadt-Dorfeingang von Norland: „Wanted: Country-Doctor!“

Kanada ist schön. Ich würde gern alle Strassen fahren, geht natürlich nicht. Mein Herz schlägt freudig schneller, wenn ich wieder und wieder einen atemberaubenden highway-Abschnitt erlebe.

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