Im Containerhafen, PM vom Zoll nicht freigegeben

26.09. Stolperstein Nr. 1, THE CUSTOM

Ich sitze heute, am Montag, den 29.09. immer noch in Halifax. Im Pierremobil, in einer Fordwerkstatt, aufgebockt auf einer Rampe hoch über den anderen Reparatur bedürftigen Autos. Geduld. Mein worldwide-trip beginnt mit Stolpersteinen on the road, die muss ich wegräumen, Stein für Stein:

Gestern bin ich angekommen, in Montreal. Immigration, Beamtentum vom feinsten. Die Bibelfesten wissen, dass uns Geduld abverlangt wird. Hier wirst Du bibelfest. Und das noch öfter, viel öfter. Da wird das Gepäck nicht direkt nach Halifax durchgeleitet wird, ich muss mich selber drum kümmern. Also Gepäckband, neu einchecken, endlich im Flieger nach Halifax, 1000km zurück gen Osten- gibt es keinen Direktflug nach Halifax? Diese Frage geht an das Reisebüro Heidi. J. Dafür ist der Anflug auf die Wald-, Seen- und Meerlandschaft um H. umso beeindruckender. Zumal sich in niedrigerer Höhe vereinzelt knallrot verfärbte Ahornbäume von den Kiefern und Lärchen abheben. Der Indian summer steht vor der Tür. Die Freundlichkeit der Kanadier ist sprichwörtlich, ob im Airport-Shuttle (1/3 Taxipreis, dazu im Stau vor der toll-bridge genauso langsam wie ein Taxi, ob beim Eincheken im Hotel, ob beim Bummel an der Waterfront und anschliessendem Restaurantbesuch mit kanadischem Bier- und Hümmerchengenuss- da macht das Frage- und Antwortspiel zum Sprachentraining so richtig Freude. Früh ins Bettchen (2 kingsize for me alone), den Stadtplan für die Anlaufstellen des morgigen Tages studiert und Tiefschlaf.
Das Frühstück ist im unverschämten downtown-Hotelpreis nicht enthalten, dafür gibt es eine Kaffeemaschine und neben dem Hotel Bäckerein und Muffins. Die Staaten haben mich eingeholt. Endlich zu Broker, der sagt, dass das PM wohl angekommen sei, der Zoll habe aber keine delivery-order ausgestellt. Es fehlte ein Schlüssel zur cabin. Noch nichts Schlimmes ahnend (Catherine war ja sehr nett und hat mir auch die avisierten 150 Dollar abgeknöpft) mach ich mich auf zum Zoll. Alles ok, bis auf die delivery-order, die Cabin sei noch nicht inspiziert, ich solle am Montag (in 3 Tagen) wiederkommen. Alles klar? Völlig verdutzt wage ich eine Einwendung, die total barsch abgewürgt wird. Schluck… Das Telefonat zur Seabrdige nach Düsseldorf frustrierend, so etwas sei ihnen noch nie passiert, ich könne vor Ort viel besser agieren, beim erneuten Versuch, von aussen Hilfe zu erlangen, hatte ich dann den AB; Danke Seabridge.
Also dann, selbst ist de Mann: per Taxi zum Container-Terminal, Eingangs-Check, Mr. Miller im blauen Gebäude sei mein Mann. Das war er, Das PM sei da, nur es fehle der delivery-Stempel, in rot. Weil der Schlüssel zur cabin fehlte und der custom das Fahrzeug ohne Inspektion nicht freigibt…. Ich gebe ihm den Schlüssel, er telefoniert mit dem Zoll, der käme in den nächsten 4 Stunden (sure?- yes!-oh!). Mit meiner security-mark bin ich dazugehörig, schlendere durch das Containergelände und entdecke das PM, unversehrt. Irgendwann kommt der Zoll, eine superdicke missmutige Lady, die meinem charme nicht erliegt, aber nicht umhinkommt, das PM nach eingehender Inspektion freizugeben. Geschafft! Von wegen. Ich lerne eine neue Hierachie der Stempelgarde kennen, der nach einigen Telefonaten und Faxen mit dem Zoll anerkennt, dass er das PM nicht weiter zurückhalten kann, wenn dann der rote delivery-Stempel… Per Taxi downton, Hollis Street, Hauptzollamt. De ganze Frageprozedur vor vorn; we ich, wo ich, wann ich, wie ich…….. er zuckt mit der Hand zum roten Stempel, noch nicht, erst noch eine Kopie, dann einmal, zweimal, dreimal! Der rote Stempel ist platziert. Danke, danke, Taxi zum Hafen, die machen gleich Wochenende, im Laufschritte zu Mr. Miller. Er lässt das PM vorfahren: „we did, what we could“. Raus aus dem Zollgelände auf den nächsten Parkplatz, Luft schnappen, Wasser trinken, Nummernschilder montieren. Voll glücklich, geschafft, das Wochenende nicht im Hotel sondern in unserem Pierremobil.
Das war der Stolperstein Nr. 1. Weggeräumt.

Lighthouse route, Peggy's Cove

Stolperstein Nr. 2, der Stossdämpfer
Aber auch viele freundliche Zufälle und Begebenheiten

Der Tankwart in Halifax, der die erste Diesel- und Gasflaschenfüllung vornahm („was sind denn das für Gasflaschen, hab ich noch nie gesehen, sind die auch entlüftet?, muss ich Angst um mein Leben haben?“) ja dieser Tankwart sah mit einem Blick, dass das Profil der Vorderradreifen beidseits innen gegen null tendierte („noch 2000km, und die sind platt- anything is wrong“). Knüppel 1 ist weggeräumt, Nr. 2 steht vor der Tür. Mir kommen die isländischen Wege und Furten in Erinnerung- ist da was passiert? Ist die Vorderradachse gebrochen- Mercedes in Herford hatte jedenfalls nicht Pathologisches entdeckt. Und dennoch: vor lauter Sorge fahr ich nicht Richtung southern shore nur noch bis zum nächsten Campingplatz, bleibe dort für ganze drei Nächte, mache mit dem Rad ausführliche Einkäufe, ebenso ausführliche Touren rund um Halifax, besichtige die Zitadelle (may I take my bike? – Of course); die Kanadier sind abgesehen vom Zoll ausgesprochen zuvorkommend. Ein Security-man hält mich an, hier sei Privatbereich, aber links daneben, da könne ich fahren- die sind ja sehr genau, die securuties. Dann ruft er mich zurück: you aren’t from Halifax? Radfahrer müssen hier Helme tragen, sonst wird’s teuer und sagt mir, wo ich am Sonntagnachmittag einen bike-Laden finde. Tatsächlich, seit 12Uhr mittags schrauben die Jungs schon und drehen mir den teuersten Helm an. Und ein neues Ventil am Hinterrad, das war nämlich auch schon hin, wovon eigentlich? Ansonsten waren die Profis von dem Radl begeistert. Angetan von der Zuwendung der netten Menschen um mich herum fahr ich noch in die Aussenbezirke, um die Lage der Mercedeswerkstatt auszukundschaften- vielleicht sind die ja auch sonntags aktiv?? No.

Nachts Hurrikan. Die zeltenden Campergenossen haben die Warnungen ernst genommen und ihre Schlafgemächer bis auf die ganz hart gesottenen („35.000km mit dem Rad um die Erde“) abgebaut und sind ins nächste Motel gezogen. Heute weiss ich warum. Bei stetig böiger werdendem Wind hab ich mir noch locker Bratkartoffeln gebruzzelt, nachher war mir gar nicht mehr zum Essen zumute. Ich dachte schon, mein PM habe sich in ein Schiff verwandelt, so schaukelte es im Wind. Und dann kamen mir die Bilder von New Orleans und von Tornados in den Sinn, richtig, ich bin ja in Amerika. Das wurde ich plötzlich ganz klein, ängstlich und demütig. Morgens wurde es dann ruhiger, ich auch.

Pünktlich um 8 Uhr rausche ich über die Mackay-bridge Richtung Dodge-Chrysler-Sprinter. Der Computer erkennt meine Fahrzeugnummer nicht, viel hin und her. Der Versuch einer Ursachenforschung ohne Mulde oder Rampe („the only origin sprinter-dealer in Nova Scotia“) musste schief gehen. Der Brechstangentest zeigt beeindruckend, dass alles ok sei, eine Spureinstellung wegen der Höhe meines Campers nicht hier, dafür aber in einer befreundeten Fordwerkstatt möglich sei. Auf dem Weg dorthin komme ich bei Mercedes vorbei: Sprinterservice? – Bei Dodge. Navigation-CD? – Nicht kompartibel für euroäische Autos (Mercedes in Bielefeld hatte keine beschaffen können und auf Kanada verwiesen). Nicht so schlimm, wäre ja auch teuer geworden, 360 bucks, und das nur für die Ostküste, der Rest ist noch nicht aufbereitet.

Dann zur Fordwerkstatt. Nein, Dodge hat mich nicht avisiert. Der Computer erkennt die Farhrzeugnummer nicht, viel hin und her. Der nach Wochenendfahne riechende kanadisch nuschelnde service-man, bei dem ich trotz aller Anstrengung höchstens jedes 10. Wort verstehe, schickt mich, diesen überhaupt nicht in die Routine eines Montagmorgenablauf einer kanadischen Fordwerkstatt passenden Europäer erstmal mit dem PM auf den Parkplatz. Geduld. Ja, die lerne ich hier. Aber nach einer Stunde hat sich die Laune des service-man schon gebessert und nachdem er mir seine arthrotische Leidensgeschichte erzählt hat, wird meine Kartei auf die erste Stelle gesetzt („the first after breakfast-break“- plötzlich verstehe ich ihn). Ein kleiner, deutlich sprechender Kanadier holt das PM vom Parkplatz, misst per Computer die Spurabweichung, ist entsetzt und betreibt Ursachenforschung. Und findet a broken shock: der Stossdämpfer vorn rechts ist hin. Nun habe ich endlich Gewissheit. Vorrätig haben weder Dodge noch Mercedes (viele Telefonate hin und her) einen shock-absorber für europäische Camper, aber in 10 Tagen sei er da. Mein Vorschlag, diesen nicht nach Mdercedes/Dodge in Halifax zu schicken sondern nach Montreal, wo ich in 10 Tagen meine geliebte Frau am Flughafen empfangen möchte, wird mit Begeisterung aufgenommen. Viele Telefonate hin und her, part-number und master-card-number zu Bob bei Mercedes in Montreal, und alles ist roger. Der kleine Kanadier stellt noch rasch die Räder gerade, so gerade es eben geht mit dem kaputten Stossdämpfer- aber ich kann fahren. Um 93e Dollar erleichtert, soviel kostet die Spureinstellung. Das stundenlange Herumtelefonieren, ja wer bezahlt das eigentlich? Die anderen wartenden customer??

Wie konnte das passieren, das mit dem Stossdämpfer, dem broken shock-absorber? Waren die Wege in Island und die Furtdurchquerungen doch zu ruppig? Aber ist das PM nicht für solche Fälle gedacht und konstruiert? An der Hinterachse hatte ich ja auch schon Probleme. Und dann: wieso sieht ein Tankwart in Kanada mehr als die Mercedes-Profis zu hause? – Wäre ich nur meinem Gefühl gefolgt und hätte das PM nach de, Island-Trek noch mal bei Iglhaut in Marktbreit vorgestellt, dann hätte ich jetzt diesen Schlamassel nicht am Hals. Andererseits: ein world-wide-trip läuft niemals problemlos ab. Zeit und Improvisation sind vonnöten. Zeit habe ich (es ist unbeschreiblich, zeitdruckfrei zu leben). Die Improvisation muss problembezogen aktiviert werden

POTR. Peter on the road. Seit Montagnachmittag bin ich endlich on the road, auf der Lighthouse-route Richtung Süden. Buchten, Meer, Inseln, Felsen, Sonne, Wind, Duft, Holzhäuschen überall, teils marode, dafür Idylle satt. Die Ahornblätterverfärbung lässt den nahenden Indian Summer ahnen. Schön. Entspannung. Wohlbefinden. Vorbei an Peggys Cove zum Indian Harbour. Hier steuere ich sehr früh den ersten Campingplatz an und beziehe Stellung in der ersten Reihe quer zum Atlantik. Das folgende Bier ist eines der besten meines Lebens.

Jetzt ist es morgens 07.30. Seit 4 Uhr sitze ich hier ausgeschlafen, lese und schreibe und höre die Geräusche des erwachenden Morgens. Gestern abend war nämlich um 20 Uhr Schicht. Nach dem Geplausch mit den Nachbarn, nach der Dusche, nach dem Restaurantbesuch (salad and chowder) wurde es urplötzlich stockdunkel und still. Die Geräusche des sehr nahen Meeres haben den Schlaf bereitet und begleitet. Gleich geht die Sonne auf, die Möwen machen schon Lärm.

Wer immer das hier liest, möge mir die Ausführlichkeit nachsehen. Für mich bedeutet das Niederschreiben eine mentale Entlastung, das Hirn wird frei für Neues. Nebenher entsteht ein Reisetagebuch, in dem mich dieser und jener begleiten kann. Alles freiwillig.

Genüsse nach en Stolpersteinen

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