SÜDAMERIKA II

Von Sacramento de Colonia nach Ushuaia

Es war eine gute Entscheidung, im April dieses Jahres dem garstigen Herbst und beginnenden Winter in Südchile den Rücken zu kehren und gegen den Sommer auf der Nordhalbkugel einzutauschen
Ein wenig umständlich, von der südchilenischen Insel Chiloé nach Uruguay zu fahren, um dort die einjährige Aufenthaltsgenehmigung für das PM zu ergattern, dafür hat der Weg nach dorthin sich allemal gelohnt:
die deutschen Enklaven in der südchilenischen Schönheit mit ihren Nationalparks und der Vulkan besetzten Andenkette; Santiago de Chile zum Zweiten, dem die Faszination des Ersterlebten mangelt. Dafür gibt es mehr Tiefe oder Höhe, wörtlich: die Besteigung des Hausberges, die mir zum Erstbesuch mit Lilo verwehrt war, oder der Besuch des unterirdischen Museums unter dem Palacio de Moneda; die aus verschiedenen Gründen Herzklopfen auslösende Überwindung des 4.800m hohen Agua negro: raus aus der Wüste mit ihren markanten, künstlich bewässerten Weinanbauoasen nach oben, hoch, sehr hoch über die engen, steilen Schotterpisten des Passes in die immer dünner werdende Luft; auf der anderen Seite die unwirklich u heisse Canyonlandschaft in NW-Argentinien; Cordoba; das Rückkehrreparaturmanagement mit Mercedes in Campana und schliesslich die geglückte Grenzkontrolle zu Uruguay mit der langfristigen Aufenthaltsgenehmigung und einem sicheren Stellplatz für das PM für mehrere Monate zudem. Da konnte ich Anfang April ruhigen Herzens nach Hause fliegen.

Sommer in Deutschland: die Verschönerung des Gartens und der Versuch der Verbesserung meines Handicaps haben die Reiselust nur anfangs mindern können; das Nomadenblut geriet recht bald in Wallung und konnte einigermassen durch die beiden Motorradreisen nach Dubrovnik und die mit Uraltkumpels durch Südfrankreich wieder beruhigt werden. Reisen zur offroad-Messe nach Bad Kissingen- für Weltenbummler ein Muss-, nach Belek und Amsterdam, nach Venedig und an die Nordsee brachten dann die endgültige Ruhe, so dass ich die Anfrage einer begleiteten Reise nach Südostasien ruhigen Herzens ablehnen konnte. Krönung des Sommers 2012 war ein dem intensiven Austausch dienendes Gartenfest.

Zudem musste ich mit Mercedes das Motorregulationsproblem klären: weil der Mercedescomputer den Partikelfilter nur bis zu einer Höhe von 2.000 m reinigend regeneriert, verstopfte der Filter in Bolivien alsbald und wurde 2011 von der BOSCH Autoklinik in Cochabamba als einzig mögliche “Reparaturmassnahme” heroisch entfernt. Seitdem qualmt es blau, aus dem Auspuff, und riecht aromatisch, inzwischen seit 22.000 km. Die Meinungen der Mercedes-Spezialisten zu Hause sind unterschiedlich: die einen vermuten einen defekten Turbolader, die anderen einen defekten Injektor und als dritte Option heisst es, der Computer versuche immer wieder, den (nicht mehr vorhandenen) Partiklelfilter sauber zu brennen und spritze daher Diesel in zu grosser Menge ein. Da von zu Hause aus keine der Optionen überprüft werden konnte, habe ich alle entsprechenden Ersatzteile einschliesslich eines 9.4 kg schweren Turboladers in einen zweiten Koffer gepackt und auf sozial unterstützende Art, so heisst das hier, nach Uruguay eingeführt, und die mecanicos von Mercedes in Campana haben in einer Zweitagesmontagearbeit für umgerechnet 340 € den neuen Turbolader eingebaut. So. Ergebnis: es qualmt blau, vielleicht weniger, aber es qualmt. Vor allem in den Städten muss ich vor lauter Blauqualm aus Umweltverschmutzungsgründen an der Ampel den Motor abstellen, peinlich. In der Pampa blaut er weniger oder der Wind verdünnt den Qualm, no se. Allerdings: er fährt mit voller Kraft. Was wünsch ich mit mehr? Also weiter Kameraden und auf zur nächsten Reparatur-Option! Aber welcher??

Patagonien. Durch die Pampa Erst ist sie feucht, dann trocken, dann sehr trocken. Und mit dem Feuchtigkeitsgrad wechselt naturgemäss die Vegetation: sattes grünes Gras, auf dem Rinderherden weiden. Platt. Dann die endlose Steppe, die typische Pampa, mit wenig Gras und reichlich niedrigem Gebüsch und darin mühsam nach Nahrhaftem suchenden Schafen. Und noch weiter südlich Trockenheit, die Semidesert bis hin zur Sand- und Steinwüste. Sanft hügelig. Heiss. Mittags bis 36.5’ max. Da hüpfen noch einige Guanacos herum oder über die Strasse und beleben den immer müder werdenden Fahrerblick.
Alle paar hundert Kilometer gibt es dann einen Abzweig zu einem Balneario, einem Puerto oder zu einem der Nationalparks- willkommene Unterbrechungen auf der endlos langen Ruta 3 von Buenos Aires bis nach ganz unten.
Die Strasse ist durchweg gut, dh sie ist asphaltiert, asfalto. Die schweren LKW haben Längsrillen hinterlassen und da schaukelt sich mein PM so durch. Bei dem böigen Starkwind von vorn fühle ich mich manchmal wie auf einem Segelboot: kommt ein LKW von vorn, muss ich anluven, sobald er mich zur Hälfte passiert hat, wieder auffieren. So gelangen wir aneinander vorbei, ohne die banquina zur Hilfe nehmen zu müssen. Also nichts mit Tempomat an und mal locker 3.200 km direkte Strecke, 5.000 km mit Kulturschlenkern nach Ushiaia. Am Tag 11 muss ich wegen körperlicher Erschöpfung bereits meinen zweiten Zwischenstop einlegen, dieses Mal im NP Monte León. Der erste war auf Valdés. Zwischenstops allerdings vom Allerfeinsten: Sonne, Wind, 26’, blauer Atlantik, Wale, Seelöwen, Pinguinkolonien und und und. Baedeker, Lonley Planet und die Infos lieber bereits Streckenerfahrener sorgen dafür, dass kein Highlight ausgelassen wird.

Ushuaia. 150 km vorher endet die Pampa, plötzlich und unerwartet und wechselt hinüber in eine Voralpenlandschaft: Wälder, Flussauen, Blumenwiesen, Seen, Pässe, schneebedeckte Berge, wohlhabende Estancias. Die anfangs ganz auffällig flechtendurchflochtenen absterbende Bäume werden hinter Tolhuin von gesunder Flora abgelöst. Ursache?
Und dann Uschhuaia: eine Stadt in einer Meeresbucht umsäumt von schneebedeckten Bergen, gehüllt in unwirkliches polarnahes Licht. Und im Hafen: nicht nur Container von Hamburg Süd sondern als Leckerbissen die Fram, ein Flaggschiff der norwegischen Hurtigruten. Mein Herz geht auf und wird von neuen phantasievollen Plänen erwärmt.
Mein Stellplatz für die erste Nacht in der südlichsten Stadt unserer schönen Erde: costañera mit Blick auf die Fram.
In der folgenden Nacht hat es geschneit ….

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