Bolivien- der Rest, 01.12.2011

Vier Monate bin ich nun unterwegs. Was hat mich am meisten beeindruckt? Der Trip auf dem Bananendampfer hier herunter nach Südamerika, Buenos Aires, claro; viele, viel Einzelerlebnisse dazu. Aber dann Bolivia. Das ist eine Ländle, ein echter Knaller!

Im Südosten die Pampa, im Nordosten der Urwald mir Zuflüssen zum Amazonas, dann der Aufstieg über die östlichen Cordillieren hin zum 4.200 Meter hohen Altiplano. Das erstreckt sich vom Süden Boliviens bis zum Titikakasee im Norden und noch über die Grenze Perus hinweg und im Westen bis zum Andenpaket der Cordillieras Real, der Grenze zu Chile. Gut, die Pampa, die tierreiche Savanne, gibt es auch im südlichen Brasilien, dem Pantanal; weiter in Paraguay und später in Argentinien. Das Amazonasbecken teilen sich noch Peru, Brasilien, Kolumbien und Venezuela- das Altiplano aber, das ist gibt es nur in Bolivien. Und in Tibet. Man stelle sich eine Hochebene vor, die zwischen 3.600 und 4.200 Metern Höhe angesiedelt ist, aus der wiederum gewaltige Berge und Vulkane wachsen. In dieser Höhe leben und arbeiten die Menschen, pflügen die karge Krume mit doppelzügigen Ochsengespannen, hüten Schaf- und Lamaherden und schützen sich gegen Sonne, Wind und Kälte mit dieser eigentümlichen Kopfbedeckung, die aussieht, wie ein Hut mit eingenähten Ohrwärmern. Die Frauen trotzen der Witterung mit mehrlagigen Röcken und dem typischen Bolerohut und sind den ganzen Tag emsig beschäftigt, den Lebensunterhalt durch Hirtentätigkeit oder simpelste Marktbestückung zu verbessern. Das letzte Kind dabei warm auf dem Rücken eingepackt und immer dabei.

Während der Akklimatisierung hänge ich voll durch: ich gerate bei leichtester Tätigkeiten wie Essen und Trinken in Luftnot und mein Herz versucht, den Sauerstoffmangel durch doppelte Geschwindigkeit auszugleichen. Ich kann gerade mal das PM chauffieren- beim Aus- und Einsteigen muss ich schon japsen- leide unter Kopfschmerzen, Schlafstörungen und Pulsrasen. Nach einigen Tagen jedoch schaffe ich es, den Hausberg in Copacabana, nein, nein, nicht in Rio de Janeiro, sonden den am Titikakasee zu besteigen und auf der Sonneninsel, der Geburtstätte der Inkagottheit, die Escalera del Inca, die Inkatreppe mit fürchterlichen hohen und steilen 465 Stufen zu besteigen. Und das bei einer Grundhöhe von 3.900 Metern. Langsam, sehr langsam. Namaste sagen die in Nepal, nicht wahr? Ich finde es wunderbar zu erleben, wie der Körper sich auf die neuen Belastungen einzustellen weiss. Und wie ich auf die Signale meines Körpers achte und reagiere, nämlich nicht auf den 5.300 m hohen Chacaltaya bei La Paz zu fahren, um im höchsten Skigebiet der Erde eine Wedelversuch zu starten und mich eben nicht ernsthaften gesundheitlichen Gefahren auszusetzen. Obwohl mich der Gedanke an diese Tour einfach nicht loslies. Diese Höhe ist ja nicht ohne und ich muss mir immer wieder bewusst machen, wo ich gerade bin: in der bolivianischen Hochebene, absulut vergleichbar mit der tibetanischen. Und noch ein kurzer gedanklicher Zwischenstop: zu hause, so ein österreicherischer biker, machen die einen Riesenzauber um den Grossglockner mit seinen 3.800m Höhe. Eben ab dieser Höhe aufwärts spielt sich hier das tägliche Leben ab.

Das ist Bolivien. Mit katastrophalen Strassen, wenn ich mich nicht gerade irgendwo auf den 5.000 km geteerten Strasse, dem asfalto relaxe. Ihre normalen Strassen nennen die hier Tierra, Erde. Piedras, Steine wäre besser. Furchtbar. Und keine Verkehrsschilder. Entweder richte ich mich nach der Sonne oder frage. Zuguterletzt habe ich immer gefragt, bei jeder Wegegabelung. Hab mich zu oft verfahren. Unterwegs ist verkehrstechnisch nicht viel los, ein paar Bauarbeiter mit ihren Fahrrädern auf dem Weg zur Baustelle, dieser oder jener LKW oder Überlandbus und links und rechts Lamas, reichlich. Aber wehe, man nähert sich Ballungszentren. La Paz ist die Abschreckung pur. Von drei Spuren sind die beiden inneren von Taxen und colectivos, dem Dolmuschäquivalent, belegt. Die ihre eigenen Verkehsregeln haben und diese hemmungslos befolgen. Der Rat, defensiv zu fahren, ist gut gemeint. Wenn ich nicht selber ein wenig mitdrängeln würde, stände ich heute noch am Eingang von La Paz. Direkt hinter der Zahlstelle mit diesem wunderschönen Blick über diese faszinierende Stadt in 3.700 Metern Höhe.

Dass ich das nicht vergesse: diese Höhe schafft eine glasklare Luft, einen Sternenhimmel ohne Gleichen, einen stahlblauen Himmel und einen ebenso stahlblauen Titikakasee. Und einen unvergleichlich schönen Salzsee. Und, und, und… Bolivien täglich neu, in vielen Facetten, ein irres Erlebnis. Wem immer die Möglichkeit gegeben ist, Bolivien zu erfahren, der sollte sich auf den Weg machen ähnlich den vielen neugierigen jugendlichen Backpackern oder auch diesen oder jenen ein ganz klein wenig besser situierten grauhaarigen travellors. Oder Ihr geht einfach auf meine Bilderserie → Bolivien

Beste Grüße von Eurem POTR

Und: feliz navidad y próspero Año nuevo! Ihr wisst schon, um was es geht.

Meine highlights in Bolivien:

440 km Urwaldpiste von der brasilianischen Grenze in Richtung Santa Cruz ## 125 km Piste in den östlichen Cordillieren mit Aufstieg von 500 auf 4.200m ## Abschleppen aus dem kargen Altiplano ## Reparatur der Kraftstoffanlage mit Zwangsaufenthalt in der Dauerfrühlingsstadt Cochabamba, 2.500m ## Sucre, 2.800m, Hauptstadt und schönste Kolonialstadt Boliviens ## Minenbesichtingung in Potosí, 4.200m ## Salzsee von Uyuni, 3.700m, insgesamt 265 km Piste ## La Paz, 3.700m ## Flug nach Barrenabaque, 350m und mehrtägiger Urwaldtrip im Amazonaszufluss ## Copacabana am Titicacasee, 3.800m ## Isla de Sol im Titicacasee ## tolles Wetter, liebenswerte Menschen, ganz, ganz geringe Lebenshaltungskosten ##

Aktueller Standort: Cusco/Machu Picchu, Peru.

-> Fotos: Bolivien- der Rest

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