Rückreise von Thompson nach Halifax

Endlich! Die Austauschteile sind über Nacht angekommen und der Sprinter-Profi von Chrysler, der zwar einen Sprinterlehrgang absolviert aber noch nie einen Sprinter life zu Gesicht bekommen hat, und ich, sein Handlanger, starten das Unternehmen Austausch der vorderene linken Antriebswelle. Einzelheiten erspare ich mir, hab ich doch manche Höhe und Tiefe des goldenen Kfz-Handwerks erfahren dürfen. Kurzum, nach dem lunch break ist die Welle ausgetauscht, die Probefahrt verläuft problemlos, das bereits vorher bekannte laute Resonanzgeräusch persisitiert unverändert, muss also eine andere Ursache haben.

Die Rückfahrt von Thompson ist eine Herausforderung: liegen doch 4.300 km vor mir, und es stehen mir exakt 4 einhalb Tage Fahrzeit und ein Puffertag zusätzlich zur Verfügung, um das PM nach Halifax zu schaukeln und dem Zoll zu übergeben. Einen Versuch ist es immerhin wert.

Also Einkauf zum Kochen verschiedener Gerichte für 4 Tage, ausreichenden Vorrats an Getränken jeder Couleur und Planung. Ich müsste ja 1.000km pro Tag fahren und erinnere mich an den Rhythmus der Trucker: 4 Stunden fahren, dann Pause, dann 4 Stunden fahren, dann lange Pause, ok.

Do, 16.09.2010, 16.30 Thompson adé, was hab ich hier alles erlebt! Ich fahre durch die schöne Landschaft über den Highway 6S bis zur Dunkelheit und lege nach 350 km am GRAND RAPID TRUCK STOP die erste Sandwich-Pause ein, schlafe bis Mitternacht und weiter geht’s durch eine tiefdunkle Nacht. Nach 2.5 Stunden bin ich ko, die Nachtfahrt ist so anstrengend, ich muss nämlich den Waldrand ständig auf austretendes Wechselwild beobachten. Ein Zusammenstoss mit einem Tier würde meine Pläne gewaltig über den Haufen werfen und so gebe ich dem Körper und dem Verstand nach und lege in dieser Nacht nach insgesamt 500 km in ST. MATIN TRUCK STOP meinen 2. Halt ein und schlafe leider nur schlecht: es war wohl ein wenig heftig heute, die Werkstattarbeit, die sehr belastende Nachtfahrt und: an der Vorderachse stellt sich ein neues Geträusch ein. Ich krieg ‘ne Krise.

Fr, 17.09., Sonnenaufgang, Frühstück, weiter Richtung Süden. Das Vorderachsgeräusch verschwindet, für immer? Ursache? In der Hauptstadt Winnipeg erreichen wir die Transcanada 1 und ab geht’s Richtung Osten. Eine tolle Fahrt durch die wunderschöne Seen-, Fluss- und Hügellandschaft von Ontario bis THUNDERBAY. Hier übernachte ich nach 950 km auf dem Safeway Parkplatz und zaubere ein Menue aus Fisch, Reis und Salat. Diverse cans bringen die notwendige Schwere, um Körper und Geist ins Traumland wandern zu lassen.

Sa, 18.09., 04.00, Strassenbauarbeiten wecken mich- hätte ich doch den Campingplatz 30 Minuten vor Thunderbay nehmen sollen? Immerhin 6 Stunden Schlaf, und ich habe noch eine sehr lange Strecke vor mir. Aufbruch in tiefer Dunkelheit, vor mir ein flotter PKW, ich fahre Konvoi, überhaupt nicht anstrengend. In Nipigon teilt sich die TC 1, den südlichen Teil über Sault Ste. Marie kenne ich von der Hinreise, also nehme ich die nördliche Traumstrecke über Hearst und mache hier am Visitorcenter lunchbreak und powernap. In Rouyn-Noranda/Québec stosse ich wieder auf den Transcanada-Hwy und lande beim letzten Sonnenlicht nach 990 km Tagesstrecke auf einer rest-area in CADILLAC. Ankommen, entspannen und Genuss von selbst zubereitetem Rumpsteak, Kartoffeln und Gemüsepfanne, wirklich Genuss. Ich möchte mit keinem fastfood-Restaurant tauschen. Die zunehmend nüchtern werdenenden sms-Botschaften meiner lieben Frau daheim lassen nichts Gutes ahnen. Na dann gute Nacht.

So, 19.09., 38-jähriger Geburtstag meiner ältesten Tochter. Aufwachen um 6 Uhr bei Dunkelheit, Sternenhimmel und Minustemperaturen. Später kämpft sich die Sonne durch den Nebel einer von Raureif überlagerten Seen- und Hügellandschaft. Ich geniesse die Reise durch die rolling hills und lasse vom erhöhten Cockpit aus die herrliche Landschaft an mir vorbeiwandern. Dann kommt der Moloch Montréal mit seinem auf einem Hügel von weitem sichtbar thronenden Dom und dem weitaus aggressiveren Fahrstil der Frankokanadier. Nach dem Stau auf der St. Lawence Bridge in Québec geht es auf des Ostseite des mir von der Hinreise so lieb gewonnenen Riesenflusses bis nach RIVIÈRE-DU-LOUP. Dort finde ich nach 1.040 km einen Rastplatz auf dem Walmart-Parkplatz, koche mir ein Dinner aus meinen Vorratsresten, spüle, lüfte und falle erneut in Tiefschlaf.

Mo, 20.09. Dunkelheit. Der Vorteil der Übernachtung auf öffentlichen Plätzen liegt darin, jederzeit losfahren zu könnnen. Ich erwache um 5 Uhr, koche mir den üblichen Morgentee und mach mich von dannen, verfahre mich in Rivière-du-Loup und lerne so notgedrungen eine wunderschöne Stadt mit französischem Flair an den Ufern des sonnenüberstömten Rivière St. Laurent kennen. Ich telefoniere mit Seabridge Düsseldorf und bestätige wohlgemut meine Rückreisetermin für die Schiffsfracht. Und so erreiche ich am frühen Abend nach 890 km Tagespensum HALIFAX, das Ziel meines Trips, beziehe auf einem öffentlichen Parkplatz Quartier, mach mich landfein (mein PM bietet ja allen notwendigen Luxus) und gehe zu Salty, DEM Restaurant an der waterfront, und gönne mir, na was wohl? Klar, einen eineinhalb Pfund schweren Hummer und eine Flasche Sauvignan blanc. Grund genug für dies Feier gibt es ja: 4.370 km in 4 Tagen und 2 Stunden, ich bin happy. Nicht so happy bin ich über die mail meiner Frau, die mich heute am hot spot an der Grenze von New Brunswick nach Nova Scotia erreichte: sie wird sich von mir trennen. Erwartet hatte ich das ja schon lange, die unterschiedlichen Lebensziele scheinen wohl nicht kompartibel. Und dennoch. Hummer und Wein geben den gemeinsam verbrachten wunderschönen Jahren die rechte Würze und lassen die Zukunft in ausgesprochen angenehmes Licht rücken….

Di, 21.09., Puffertag. Ich beginne den Morgen mit Psalm 90, herrlich! Der Reeder hat die Frachtpapiere für das PM vorbereitet, die Gastanks müssen aufwendig und kostenintensiv von einem Fachbetrieb mit Nitro gespült werden, mittags gibt’s die allerletzten Reste bestehend aus Salat und hart gekochten Eiern. Dann Koffer packen, morgen ist ja Übergabe und Abreise. Nachmittags mache ich einen walk durch Seaport, den neuen wunderschönen buisiness district von Halifax. Sonne, Friede, Glück, ich bin völlig entspannt.

Mi, 22.09., um 9 Uhr fahre ich zum Zoll, übergebe das PM den Herrschaften, die mich inzwischen schon recht gut kennen und mich über meinen Trip ausfragen, fahre per Taxi zu Airport. Um 13.50 Uhr fliege ich mit den Singapur Airline nach New York und von dort per Nachtflug weiter nach Frankfurt.

Do, 23.09.2010, 11.15 erreiche ich Frankfurt, fahre mit dem Zug heim und werde liebevoll von meiner Frau empfangen. Auf den Tag genau vor 2 Jahren bin ich losgefahren und habe nach 112.000 km meine Reisegelüste immerhin zum Teil befriedigen können. Im Herbst 2011 werde ich das PM nach Südamerika verschiffen lassen, um diesen von sehr vielen Weltenbummlern gepriesenen Kontinent selber zu ‘erfahren’. In der Zwischenzeit gibt’s viel zu tun. Faciamus et gaudeamus.

Euer peterontheroad, Dr. Peter Mersmann.

Zurück zum Seitenanfang